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Abschiedlich leben (Bärbel Wartenberg-Potter)

Die Blätter fallen. Die Tage werden kürzer.

Herbstallee mit Friedhofskreuz am EndeDie Menschen gehen auf die Friedhöfe und decken Tannenreisig auf die Gräber ihrer Lieben. Sie verweilen ein wenig: Erinnerungen ziehen vorüber. Gedanken stellen sich ein. Wie viele Abschiede müssen wir nehmen im Leben? Der Tod ist ja nur einer, ein großer, schwerer Abschied. Aber mancher Abschied von Lebenden kostet ebensoviel Kraft. Manche Abschiede müssen sein, wenn ein neues Stick Leben angefangen werden soll. Wir müssen alle lernen, abschiedlich zu leben. Was heißt das denn: Abschiedlich leben? Soll da eine Art Trauer fortwährend in unser Leben einzementiert werden? Sollen wir ständig an den Abschied denken? Sollen wir uns ständig mit unserem Ende beschäftigen? Oder ständig an vergangenen Abschieden herumnagen? Nein, so ist es nicht gemeint. Abschiedlich leben sollen wir im Sinne der biblischen Weisheit, die uns im Predigerbuch sagt : „Ein jedes Ding hat seine Zeit und alles, was getan wird, hat seine Stunde. Geborenwerden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; … pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist hat seine Zeit, … weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit ...”(Prediger 3,1 ff)

Dieses Wort will uns erinnern: Das Schlimme geht vorüber, aber auch das Schöne kann nicht ewig dauern. Diese Worte wollen uns helfen, abschiedlich zu leben und damit wirklich zu leben.

Abschiedlich leben heißt zurückblicken auf das, was gewesen ist, auch wenn es langwierige und schwere Seelenarbeit bedeutet. Es heißt auch, Dinge zu ordnen, kein Chaos hinter sich zu lassen, ins Reine kommen mit sich und seinen Gefühlen, mit sich und den Menschen.

Es heißt auch, offen und ehrlich Dinge zu benennen, sich nichts vorzumachen, keine Schein- und Lügengespinste hinter sich zurückzulassen.

Und abschiedlich leben heißt auch weitergehen. Das können wir nur, wenn wir das Alte wirklich loslassen, nur dann können wir uns auf das Neue frei zubewegen. Im Aufbruch dürfen wir aber auch nicht die Zeichen der Verheißung übersehen. Der Regenbogen geht immer wieder über unserer Welt, auch unserer kleinen Welt, auf. Martin Buber hat einmal gesagt: „Wisse, woher du kommst; wisse, wohin du gehst und wem du dich zu verantworten hast.” Dem ist nichts hinzuzufügen.

Herzliche Segenswünsche
Ihre Bärbel Wartenberg-Potter
Bischöfin des Sprengels Holstein-Lübeck

Für die Nachdruckgenehmigung bedanken wir uns bei der Autorin.