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Zuversicht (Hans-Albrecht Pflästerer)

Zuversicht

Gehört Zuversicht zu Ihrem Wortschatz? Sind Sie selbst zuversichtlich? Hat Zuversicht für Sie mehr mit Gegenwart oder Zukunft zu tun? In welchem Zusammenhang haben Sie das Wort zuletzt gehört? Als Floskel? Kennen Sie ein Gesicht, das Zuversicht ausstrahlt? Wenn Sie sich selber im Spiegel anschauen, treffen Sie auf Spuren von Zuversicht? Gibt es für Sie eine Verbindung zwischen göttlicher Vorsehung und menschlicher Zuversicht? Braucht die Schöpfung unsere Zuversicht?

Eigentlich und vordergründig haben wir wenig Anlass zur Zuversicht. Ein Tag wie der 11. September 2001 könnte alle Zuversicht abgetötet haben. Doch in einer Zeit der Schwarzseher und der Hellseher, die beide eine apokalyptische Zukunft beschwören, in unserer Zeit des faktischen Terrors und der ins Panische gesteigerten Furcht vor neuen Anschlägen, haben wir Zuversicht bitter nötig. Denn sie ist ein Lebenselixier. Sie trotzt der Angst, die nicht nur die Seele auffrisst. Sie sieht mehr als nur das Vorhandene. "Sie sieht", schreibt der Benediktiner Anselm Grün, "zusätzlich zu allem Äußeren die innerste Wirklichkeit der Dinge, sie sieht zur Welt hinzu Gottes Engel, die ihre schützende Hand über unser Land und unsere Erde halten." Zuversicht ist eine Spielart der Hoffnung, Glaube und Vertrauen zielen in eine ähnliche Richtung. Sie lässt sich nicht ausreden, dass sich Menschen und Dinge zum Guten verändern. Sie lässt sich nicht erschüttern von pessimistischen Prognosen. In ihr schwingt viel Sehnsucht mit.

In den Psalmen der Bibel ist nachzulesen, dass Gott selbst unsere Zuversicht ist. Und auch Jesus gab sich in den Geschichten, die er erzählte, gern zuversichtlich. Etwa in dem Gleichnis über die Aussaat des Getreides: Korn fällt auf den Weg, auf felsigen Grund, unter Dornengestrüpp. Und verdorrt. Aber dann kippt die Geschichte: Das Korn kann sich so sehr vermehren, dass Wachstum gelingt und die verdorbene Saat vergessen macht.

Der Theologe Ernst Lange hat die Wahl, ganz anders zu leben, an Kindern und eine kleine Weile vor und nach der Geburt auch an ihren Müttern ausgemacht. Zuversichtliche Menschen findet er unter Künstlern und Forschern, Gründern und Erfindern und Heiligen: "Sie lassen sich nicht von ihren bösen Erfahrungen leiten, sondern von ihren guten Erwartungen. Sie sind nicht abgeschreckt durch das, was war, sondern gespannt auf das, was kommt. Sie leisten sich die Vorfreue auf das, was als Kommendes von den Realisten nie verrechnet werden kann." Sie machen sich zwar keine Illusionen über den Zustand der Welt. Sie sind auch keine Schwärmer, die alles durch die rosarote Brille sehen. Aber sie sind doch bereit, die Wirklichkeit als Spielfeld von Möglichkeiten und Alternativen zu begreifen.

Ein Mensch mit Zuversicht hat verstanden, dass man in dieser Welt nur weiterleben kann, wenn man zutiefst glaubt, dass sie nicht so bleibt, wie sie ist, sondern dass sie werden wird, wie sie sein soll. "Es kommt die Zeit", geht ein beliebtes Lied auf Kirchentagen, vom langjährigen Kirchentagspastor Gerhard Schnath erdichtet, "in der die Träume sich erfüllen: wenn Friede und Freude und Gerechtigkeit die Kreatur erlöst. Dann gehen Gott und die Menschen Hand in Hand."

Zuversicht schließt nicht aus, dass sich Unvermutetes ereignet: "Eines Tages", schreibt Hans Leopold Davi, "wird sich erheben der Grashalm, um Mohnblume zu werden. Wird sich erheben der Stein, um Wolke zu werden. Wird sich erheben die Träne, um Stern zu werden. Wird sich erheben der Mensch, um Mensch zu werden."

Hans-Albrecht Pflästerer

Für die Nachdruckgenehmigung bedanken wir uns beim Autor und der Zeitschrift JS.