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Leben und Sterben in Gottes Hand (Peer Lichtenberg)

Leben und Sterben in Gottes Hand

Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.
Römer 14, 8

In diesem kurzen Satz des Apostels Paulus, dem Monatsspruch für April, stehen zwei große Worte, die doch kaum gegensätzlicher sein könnten, beinahe wie selbstverständlich beieinander: Leben und Sterben.

Zwei Dinge, die in uns vermutlich durchaus unterschiedliche Reaktionen und Empfindungen auslösen. Leben – ja, das wollen wir. Möglichst viel, möglichst lange, möglichst intensiv. Sterben – nein, damit möchten wir uns lieber nicht zu viel, zu lange und zu intensiv beschäftigen.

Natürlich wissen wir, dass das Sterben irgendwie zum Leben dazugehört. Schließlich steht das so auch in einschlägigen Lehrbüchern. Aber die tägliche Lebenspraxis ist doch häufig recht wenig von dieser Erkenntnis bestimmt. Allzu oft ist unser Alltag davon geprägt, dass wir vor dem Sterben davonlaufen, es ausklammern und die Augen davor verschließen.

Damit meine ich nicht nur die Situationen, in denen ein Todesfall droht oder bereits eingetreten ist. Das Sterben mitten in unserem Leben hat viele Gesichter und Ausprägungen. Wir fürchten es überall dort, wo sich unser Leben nicht ungehindert entfalten kann. Das Altwerden oder manche Krankheit scheint vielen wie ein Sterben auf Raten. Auch die Erfahrung der eigenen Grenzen, von Schwäche etwa, gehört dazu.

Wenn wir bestimmte Ziele nicht erreichen, kann es uns vorkommen, als seien wir ohnmächtig, wie tot. Nicht beliebt zu sein, ist für manche wie ein inneres Sterben. Bei bestimmten Niederlagen im Arbeitsleben sprechen wir von „beruflichem Selbstmord” u.s.w. Wenn wir nun all diese Erfahrungen immer als Feind des eigenen Lebens wahrnehmen, müssen wir so tun, als seien wir alle junge und dynamische (bis ins hohe Alter), kerngesunde und starke Siegertypen, beliebt und beruflich wie privat immer erfolgreich. Weil das aber nicht stimmt, ist das nichts weiter als eine Flucht vor der Realität. Eine aussichtslose, eine tödliche Flucht.

Glücklicherweise schreibt Paulus noch ein drittes großes Wort: „Wir gehören dem Herrn”. Damit ist Jesus Christus gemeint, derjenige, der im Neuen Testament „Herr” genannt wird, weil er gestorben und auferstanden ist (Phil 2,9ff). Er hat den tödlichen Gegensatz von Leben und Sterben überwunden. Auf ihn bezieht sich der christliche Glaube im Leben und im Sterben. Und wer zu diesem Herrn gehört, für den verliert der tiefste Gegensatz des eigenen Daseins seine unbedingte Bedeutung.

Der Apostel schreibt diese grundsätzliche und wunderbare Wahrheit erstaunlicherweise in einem Abschnitt des Römerbriefes, in dem es um konkrete und praktische Lebensfragen geht. Denn genau da ist der richtige Platz dafür. Vielleicht können wir Ostern, das Fest der Auferstehung, ja auch so lebenspraktisch begreifen: Ich muss mein Leben nicht mit der aussichtslosen Flucht vor dem Sterben vergeuden. Als zu Jesus Christus gehörender Mensch darf ich auch schwach, krank, alt und nicht immer erfolgreich sein und dennoch in all dem das Leben finden.

Ich wünsche Ihnen eine lebensfrohe Passions- und Osterzeit.

Peer Lichtenberg